Dienstag, 12. Mai 2020

Wie geht es Menschen mit Down-Syndrom in Regensburg?

Jacob
(Foto: Sabine von Schelling)
Das wollten wir vom Jungen Theater gerne wissen und haben über den Verein Elternrunde Down-Syndrom Regensburg nachgefragt. Die unten stehenden Antworten haben wir von Sabine von Schelling, Leiterin der Elternrunde, erhalten. Ihr Sohn Jacob ist 3 Jahre alt und hat das Down-Syndrom.


Wie sieht der Alltag mit einem Kind mit Down-Syndrom aus? 
Eigentlich nicht viel anders als mit anderen Kindern. Jacob geht vormittags (wenn dieser nicht wie gerade geschlossen ist) in einen integrativen Kindergarten.

Er lernt sehr viel von den anderen Kindern und geht dort sehr gerne hin. Er bekommt Frühförderung, also Logopädie für die Sprache, Heilpädagogik und Physiotherapie. Natürlich dauert jede Phase bei ihm länger – man muss z.B. immer noch aufpassen, dass er nicht mit Tellern schmeißt und auch das Wickeln wird uns noch eine ganze Weile begleiten...

Wie erleben Sie die Gesellschaft im Umgang mit behinderten
Menschen/Kindern? (Gibt es ein konkretes Beispiel, das Sie mit uns teilen möchten?) 
Wir haben bislang sehr positive Erfahrungen gemacht. Jacob ist allerdings noch sehr klein und wird von den meisten gar nicht als behindert, sondern meist einfach als jünger als er tatsächlich ist, wahrgenommen. In der Familie war Jacob von Anfang an total akzeptiert und geliebt, da haben wir wirklich großes Glück. Ich habe schon andere Beispiele gehört. Auch im Kindergarten, in der Nachbarschaft, beim Bäcker, beim Metzger oder auf dem Markt ist er bekannt und wird freudig begrüßt. Die meisten wissen inzwischen von seiner Behinderung.

Mit kleinen Kindern wird man ja ohnehin sehr oft von Leuten angesprochen, die man eigentlich gar nicht kennt „Ja, wie alt ist er denn schon?“ Wenn ich dann sein Alter nenne, sind die meisten überrascht, weil sie ihn einfach für jünger gehalten haben und dann kommen oft Gespräche zum Thema Down-Syndrom oder Behinderung zustande. Manche wissen nicht viel darüber – andere erzählen dann ganz eigene Geschichten zu dem Thema aus ihrem Leben oder ihrer Familie.

Wie finden Sie es, dass es ein Theaterstück wie „Patricks Trick“ gibt und in
Regensburg aufgeführt werden soll?
Ich freue mich über das Theaterstück und bin schon sehr gespannt – bislang habe ich nur die kurze inhaltliche Zusammenfassung gelesen. Jede Auseinandersetzung mit dem Thema vorgeburtliche Diagnostik und dem Umgang mit einer Diagnose, die vielleicht erstmal verunsichert oder Angst macht, finde ich gut. Den Ansatz, dass der große Bruder sich mit seinem ungeborenen und noch unbekannten Geschwisterchen unterhält und dadurch viel über Behinderung lernt und sich auch schon mit dem Überwinden von scheinbaren Hürden beschäftigt, finde ich total interessant.

Was möchten Sie den jungen Leser*innen des Blogs mit auf den Weg geben?
Geht mit offenen Augen durch die Welt und versucht, die Menschen, die euch begegnen, so anzunehmen, wie sie sind. Habt keine Angst vor Menschen, die euch erstmal „anders“ erscheinen – ihr werdet sehr viele positive Überraschungen erleben.

Wenn Sie drei Wünsche bei einer guten Fee frei hätten, was würde Sie sich
wünschen? 
Ich würde mir wünschen, dass die Fee das Wort „Behinderung“ in den Köpfen der Menschen neu verknüpft, sodass anstatt „Problem“ oder „Fehler“ eher die Verbindung zu „Herausforderung“ und „Richtig“ entsteht. Dann soll sie dem ganzen gleich noch ein Gefühl zumischen, statt „Trauer“ und „Verzweiflung“ sollte da „Liebe“ und „Akzeptanz“ stehen.

Ganz allgemein würde ich mir wünschen – nicht nur in Bezug auf das Down-Syndrom – das „Anders“ nicht mit „Fremd“ und „Angst“, sondern mit „Neugier“ und „Vielfalt“ erfahren wird, dass wäre wirklich schön.

In manchen Kulturen wird die Geburt eines behinderten Kindes als ein Kompliment an die Eltern bzw. die Familie gesehen. Es wird davon ausgegangen, dass das Kind sich die Eltern bei der Geburt aussucht und wenn ein besonderes Kind zu einem kommt, ist das ein Vertrauensbeweis – ein Denken in diese Richtung würde unserer Gesellschaft auch ganz gut tun.


Das Interview hat Agnes Gerstenberg, Dramaturgin des Jungen Theater Regensburg, per E-Mail durchgeführt.